Mehr Tempo 30

Im Ausschuss für Mobilität, Umwelt, Klimaschutz der Stadt Düren wurde zuletzt über Möglichkeiten beraten, bei Bedarf die Geschwindigkeit in Straßen zu reduzieren. Anlass war u.a. der Antrag der Koalition Zukunft Düren, das städtische Konzept zu Tempo 30 – Zonen zu überarbeiten. 

Georg Schmitz (Grüne) dazu: Mit großem Bedauern mussten wir erleben, dass die CDU sich deutlich gegen die Städteinitiative gestellt hat und im Wortbeitrag die Ziele ausdrücklich verneinte sowie bei der Abstimmung (neben der AFD) gegen den Beschlussvorschlag stimmte.


In einer Vorlage stellte die Verwaltung dazu dar: Die Geschwindigkeiten im innerörtlichen Bereich sind immer wieder Gegenstand von Änderungsanträgen gewesen. Vor diesem Hintergrund beantragte die Koalition Zukunft im Antrag 2021-0443 „Überarbeitung Tempo-30-Zonen-Konzept“ die Ausweitung der Tempo-30-Zonen im Stadtgebiet und bittet um Prüfung konkreter Straßenzüge. In einer Vorlage aus dem Jahr 2003 wurde ein Vorrangnetz im Stadtgebiet definiert, in dem innerstädtische Straßen mit Tempo 50 zusammengefasst wurden. Außerhalb dieses Vorrangnetzes wurden mit Ausnahme der Gewerbegebiete fast flächendeckend Tempo 30-Zonen ausgewiesen.Aktuelle rechtliche Rahmenbedingungen: Gemäß § 39 (1a) Straßenverkehrsordnung ist außerhalb von Vorfahrtstraßen mit der Ausweisung von Tempo-30-Zonen zu rechnen. Die konkreten Rahmenbedingungen regelt § 45 (1c) StVO (jeweils einschließlich der entsprechenden Verwaltungsvorschrift): „Die Straßenverkehrsbehörden ordnen ferner innerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere in Wohngebieten und Gebieten mit hoher Fußgänger- und Fahrradverkehrsdichte sowie hohem Querungsbedarf, Tempo 30-Zonen im Einvernehmen mit der Gemeinde an. Die Zonen-Anordnung darf sich weder auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes-, Landes- und Kreisstraßen) noch auf weitere Vorfahrtstraßen (Zeichen 306) erstrecken. Sie darf nur Straßen ohne Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen, Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295), Leitlinien (Zeichen 340) und benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295 in Verbindung mit Zeichen 237) umfassen. An Kreuzungen und Einmündungen innerhalb der Zone muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Absatz 1 Satz 1 („rechts vor links“) gelten. Abweichend von Satz 3 bleiben vor dem 1. November 2000 angeordnete Tempo 30-Zonen mit Lichtzeichenanlagen zum Schutz der Fußgänger zulässig.“

Im zweiten Satz wird die Problematik deutlich, an der aktuell viele Wünsche zur Reduzierung der Geschwindigkeit scheitern, da klassifizierte Straßen explizit ausgenommen sind. Grundlage für die Anordnung von Tempo-30-Zonen sind daher eine flächendeckende Ausweisung eines leistungsfähigen Vorfahrtstraßennetzes, das die Bedürfnisse des ÖPNV und des Wirtschaftsverkehrs berücksichtigt, die geringe Bedeutung des Durchgangsverkehrs in den Zonen und durchgehende bauliche Merkmale (geringe Fahrbahnbreite, Rechts-vor-Links-Regelung, keine Lichtsignalregelung oder Radverkehrsanlagen). Außerhalb von Tempo-30-Zonen besteht noch die Möglichkeit der Anordnung von streckenbezogenen Geschwindigkeitsregelungen (Zeichen 274).

Dazu gilt zunächst gemäß § 39 (1) StVO der allgemeine Grundsatz zur Anordnung von Verkehrsregelungen, der besagt, dass Verkehrszeichen nur dann angeordnet werden dürfen, wenn dies zwingend geboten ist. Dies ist nur dann der Fall, wenn aufgrund der örtlichen Verhältnisse eine Gefahrenlage besteht, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung des Lebens und der Gesundheit der Verkehrsteilnehmer sowie des privaten und öffentlichen Sacheigentums erheblich übersteigt. Eine solche Gefahrenlage ist nur dann anzunehmen, wenn es ohne verkehrsbehördlichen Eingriff mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu Unfällen und Schäden kommt. Die Diskussion um die mittlerweile fast überall aufgehobene Benutzungspflicht für Radwege hat deutlich gemacht, dass hier hohe Hürden bestehen.

Eine Geschwindigkeitsbegrenzung ist regelmäßig im unmittelbaren Umfeld von besonderen schützenswerten Einrichtungen vorgesehen [VwV Zu VZ 274 IX.] und auch in Düren regelmäßig so umgesetzt. Weiterhin kommen Geschwindigkeitsbegrenzungen aus folgenden Gründen in Betracht: Luftreinhaltung auf Grundlage eines Luftreinhalteplans (hier aufgrund der Grenzwerteinhaltung nicht enthalten) oder Lärmschutz auf Grundlage der Lärmschutzrichtlinien [VwV Zu VZ 274 X.] (Hierbei ist aus den Umständen des Einzelfalls abzuleiten, was unter Berücksichtigung der Belange des Verkehrs als ortsüblich hingenommen werden muss. Die Widmung darf nicht durch Untersagung bestimmter Verkehrsarten beschränkt werden und es ist eine Pegelminderung um mindestens 3dB(A) nachzuweisen.)

Das weitere Vorgehen: Bei den im Antrag genannten Straßen handelt es sich überwiegend um Strecken, die zum klassifizierten Straßennetz gehören oder zumindest Vorfahrtstraßen darstellen der Handlungsspielraum der Straßenverkehrsbehörde hier durch die StVO stark eingeschränkt ist. Dieses Thema wird mit den im Antrag auch benannten Gründen in vielen Städten aktuell diskutiert und hat dazu geführt, dass sich eine Städteinitiative unter dem Titel „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ gebildet hat. Um hier einen größeren Handlungsspielraum zu gewinnen, sollte sich die Stadt Düren der Städteinitiative anschließen. Dazu wird auf die Vorlage 2022-0012 verwiesen.

Die Straßenverkehrsbehörde wird im Rahmen des Handlungsspielraums, den die StVO ermöglicht, das Stadtgebiet auf mögliche Ausweitungen von Tempo-30-Zonen überprüfen und darüber in der nächsten Sitzungsrunde berichten.

In einem weiteren Tagesordnungspunkt ging es um die Städteinitiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“. Die Koalition Zukunft Düren begrüßt diese sehr.
Der Rat der Stadt Düren unterstützt die Forderung der Städteinitiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“, den Kommunen mehr Entscheidungskompetenzen zur Festlegung stadtverträglicherer Geschwindigkeiten im Verkehr zu gewähren und beauftragt den Bürgermeister, die Städteinitiative für die Stadt Düren zu unterzeichnen.


Kurzdarstellung der Sach- und Rechtslage: Die Diskussion zur Geschwindigkeit im Straßennetz findet derzeit nicht nur in Düren, sondern in vielen Städten statt. Die Handlungsspielräume für die Straßenverkehrsbehörden sind dabei sehr eingeschränkt (vgl. Stellungnahme zu Antrag 2021-0443). Mehrere Städte haben nun eine Initiative gestartet, mit der Bund und Länder den Kommunen Regelungsmöglichkeiten zugestehen sollen, die weitergehen als bisher. Die Bürgermeister*innen von Freiburg, Leipzig, Aachen, Augsburg, Hannover, Münster und Ulm gehören zu den Erstunterzeichnern*innen. Die Städteinitiative fasst ihre Ziele in den folgenden vier Punkten zusammen:

Wir bekennen uns zur Notwendigkeit der Mobilitäts- und Verkehrswende mit dem Ziel, die Lebensqualität in unseren Städten zu erhöhen. Wir sehen Tempo 30 für den Kraftfahrzeugverkehr auch auf Hauptverkehrsstraßen als integrierten Bestandteil eines nachhaltigen gesamtstädtischen Mobilitätskonzepts und einer Strategie zur Aufwertung der öffentlichen Räume.

Wir fordern den Bund auf, umgehend die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Kommunen im Sinne der Resolution des Deutschen Bundestags vom 17.01.2020 ohne weitere Einschränkungen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts dort anordnen können, wo sie es für notwendig halten.

Wir begrüßen ein vom Bund gefördertes begleitendes Modellvorhaben, das wichtige Einzelaspekte im Zusammenhang mit dieser Neureglung vertieft untersuchen soll (u.a. zu den Auswirkungen auf den ÖPNV, zur Radverkehrssicherheit und zu den Auswirkungen auf das nachgeordnete Netz), um ggf. bei den Regelungen bzw. deren Anwendung nachsteuern zu können.

Ziel der Städteinitiative ist eine Vergrößerung des Handlungsspielraums der Städte bei der Festlegung der Geschwindigkeiten im Hauptverkehrsstraßennetz und eine Untersuchung der Auswirkungen insbesondere in Bezug auf den ÖPNV, den Radverkehr und mögliche Verdrängungseffekte. Der vollständige Text ist als Anlage beigefügt.

Es ist sehr traurig, dass die CDU sich deutlich gegen die Städteinitiative gestellt hat und eine Mobilitätswende und sichere niedrigere Geschwindigkeiten ausdrücklich ablehnte. Dabei fordern auch CDU Vertreter*innen in den Bezirksausschüssen regelmäßig Verkehrsberuhigungen und haben u.a. in Arnoldsweiler die Forderung nach Tempo 30 stets aktiv mitgetragen. Diesen Widerspruch muss die CDU den Bürgerinnen und Bürgern dann auch erklären!  
Zu den Vorlagen geht es hier: https://sessionnet.krz.de/dueren/bi/si0057.asp?__ksinr=20079039

Im Stadtrat am 23.2. hat die CDU nochmals versucht, ihre Sichtweise zu erläutern und sich sehr deutlich gegen die Resolution gestellt. Dabei bedeutet diese eben nicht automatisch, dass überall auch auf Hauptstraßen Tempo 30 kommen würde (wie die CDU und JU versucht zu vermitteln), sondern kern des Textes ist es, dass die Kommunen mehr Möglichkeiten bekommen, selbst vor Ort die besten Lösungen zu beschließen.